Артефакт

Kapitel III. Der Artikel

§ 58. Das Vorhandensein des Artikels ist eine Besonderheit, die die deutsche Sprache von vielen anderen Sprachen, darunter auch von der russischen, unterscheidet.

Der Artikel bezeichnet die grammatischen Merkmale des Substantivs und gibt die Bedeutung der Bestimmtheit oder Unbestimmtheit an, die das Substantiv im Satz erhält.

In der modernen deutschen Sprache gibt es zwei Arten des Artikels: den bestimmten Artikel (Sing.: der, die, das; Pl.: die) und den unbestimmten (Sing.: ein, eine, ein).

Der Artikel tritt auf einer verhältnismäßig späten Entwicklungsstufe der Sprache auf; er hat erst in der mittelhochdeutschen Periode (12.–14. Jh.) endgültig Fuß gefaßt. Der bestimmte Artikel hat sich aus dem sogenannten anaphorischen (rückweisenden) Pronomen entwickelt, d. h. einem Pronomen, das sich auf das obenerwähnte Satzglied (Substantiv) bezog und das seinem Ursprung nach mit dem Demonstrativpronomen aufs engste verbunden ist. Der unbestimmte Artikel ist aus dem Zahlwort ein entstanden; aus der Bedeutung ein hat sich die Bedeutung irgendein, ein gewisser entwickelt und daraus der unbestimmte Artikel. Der unbestimmte Artikel hat keinen Plural: dem unbestimmten Artikel ein im Singular entspricht sinngemäß Artikellosigkeit im Plural.

§ 59. Als Begleiter des Substantivs drückt der Artikel die dem Substantiv eigenen grammatischen Kategorien, aus: das grammatische Geschlecht, die Zahl, den Kasus.

Der Junitag (Mask., Sing., Nom.) war drückend heiß. Jeder redete vom Wetter, die schwüle Hitze (Fern., Sing., Nom.) ward verflucht und für den nächsten Tag (Mask., Sing., Akk.) ein kräftiges Gewitter prophezeit. (W. Bredel)

Besondere Wichtigkeit gewinnt der Artikel in den Fällen, wo er als der einzige Träger der formellen Merkmale dieser grammatischen Kategorien auftritt: des grammatischen Geschlechts (der Winter, die Feder, das Fenster, der Band, das Band; eine See), der Zahl (das Messer — die Messer, der, Lehrer — die Lehrer), des Kasus (der Tag, dem Tag, den Tag; die Frau, der Frau; das Zimmer, dem Zimmer).

Da der Artikel ein wichtiges Mittel ist, die grammatischen Kategorien des Substantivs als Wortart auszudrücken, so kann er auch auf den Gebrauch anderer Wortarten in der Bedeutung und syntaktischen Funktion eines Substantivs, d. h. ihre Substantivierung, hinweisen. Eine substantivierte Wortart wird daher meist mit dem Artikel (namentlich dem bestimmten Artikel) gebraucht.

Als ich eine Stunde später an demselben Hause vorbeiging, stand die Holde am Fenster... (H. Heine)

Als das bekannte wohltätige Eins gehörig verhallt war, wagte ich endlich, mich zu rühren... (G. Keller)

...aber wenn man den roten Guillotinenmarsch trommeln hört, so begreift man dieses erst recht, und man erfährt das Warum und das Wie. (H. Heine)

Ehe er das Für und Wider zu Ende erwogen hatte, stand er in einer Nebengasse der Schillerstraße. (A. Seghers)

Das große Halt wurde geblasen, dem Krieg, der Ausbeutung und der Dummheit. (A. Seghers)

Auf dem Tisch... stand ein Durcheinander von Bierflaschen... (J. R. Becher)

Und wenn mein Leben vorerst nichts sein sollte als ein Herumgeschleudertwerden, so wollte ich wenigstens in die schönsten Städte geschleudert werden... (A. Seghers)

Der Artikel spielt als grammatisches Merkmal des Substantivs eine wichtige, zuweilen sogar entscheidende Rolle. Jedoch der Gebrauch und die Wahl des Artikels in jedem gegebenen Fall wird meist nicht durch diese seine formellgrammatische Funktion bestimmt. Der Artikel übt im Satz auch noch andere, für seinen Gebrauch entscheidende Funktionen aus: er bezeichnet das Einzelne und das Allgemeine, die Bestimmtheit und die Unbestimmtheit.

§ 60. Einzeln betrachtet, haben die Substantive wie alle anderen Wörter eine sehr allgemeine Bedeutung. Beim Gebrauch im Satz wird diese Bedeutung durch die Sprechsituation konkretisiert. Jedes Ding unterscheidet sich von den anderen durch Merkmale, die nur ihm eigen sind, die seine individuellen Besonderheiten ausmachen. Die Funktion, die Bedeutung des Substantivs gemäß den konkreten Forderungen der Sprechsituation mehr oder weniger einzuschränken, erfüllt im Deutschen der Artikel. Der bestimmte Artikel dient zum Ausdruck der grammatischen Bestimmtheit, der unbestimmte zum Ausdruck der grammatischen Unbestimmtheit. Die grammatische Bestimmtheit besteht darin, ein Ding als Gesamtheit aller seiner Merkmale — überhaupt oder für die gegebene Sprechsituation — zu kennzeichnen; im letzteren Fall wird das Ding von den übrigen Dingen derselben Gattung abgesondert.

Die grammatische Unbestimmtheit besteht darin, ein Ding als zu einer bestimmten Gattung gleichartiger Dinge gehörend zu kennzeichnen. Das geschieht im Singular mittels des unbestimmten Artikels und im Plural sinngemäß durch Artikellosigkeit.

Die Bedeutung der Bestimmtheit oder Unbestimmtheit hängt meist nicht von den Merkmalen der Dinge selbst ab, sondern von der Stellungnahme des Sprechenden, von der gesamten Sprechsituation.

Sie fand eine Postkarte... Sybil beschaute Anschrift und Unterschrift, las die Karte zweimal, lächelnd. (L. Feuchtwanger)

Lerchen steigen jubilierend ins Sonnenlicht, und pfeilschnell schießen Schwalben dahin. (W. Bredel)

§ 61. Für den Gebrauch des Artikels ist es sehr wichtig, ob das Substantiv einen zählbaren oder einen unzählbaren Begriff bezeichnet (s. § 17). Substantive, die einen zählbaren Begriff bezeichnen, werden sowohl mit dem bestimmten als auch mit dem unbestimmten Artikel gebraucht. Im Plural stehen sie sinngemäß mit dem bestimmten Artikel bzw. artikellos.

Martin Oppermann hat sein Geschenk mitgebracht. Der Diener Schlüter bringt es herein. Aus einem großen Paket schält sich ein Bild heraus, ein Porträt. Es ist ein Brustbild, oval. Über einem flachen Kragen, wie man ihn in den neunziger Jahren trug, sitzt auf einem ziemlich kurzen Hals ein großer Kopf. Der Kopf ist fleischig und hat über tiefliegenden, ein wenig schläfrigen Augen, den Augen der Oppermann, eine schwere, vorgewölbte Stirn... Martin hat das Bild auf den großen Arbeitstisch gehoben... (L. Feuchtwanger)

Substantive, die unzählbare Begriffe bezeichnen, können in der Regel mit dem unbestimmten Artikel nicht gebraucht werden. Die Eigennamen, Stoffnamen und Abstrakta stehen mit dem bestimmten Artikel bzw. werden artikellos gebraucht. (Näheres darüber siehe in den entsprechenden Paragraphen.) Gattungsnamen, die einen nur in der Einzahl vorkommenden Begriff bezeichnen, werden mit dem bestimmten Artikel gebraucht.

...In meiner Brust ward es plötzlich so heiß, daß ich glaubte, die Geographen hätten den Äquator verlegt, und er laufe jetzt gerade durch mein Herz. (H. Heine)

Die Luft war wieder klar geworden, doch hinter den grauen Wolkenbänken, die nun den Horizont säumten, war die Sonne untergegangen... (F. Erpenbeck)

Der bestimmte Artikel kann somit bei einem beliebigen Substantiv stehen, der unbestimmte Artikel, steht dagegen nur bei Substantiven, die eine Mehrheit gleichartiger Dinge zu einem Begriff zusammenfassen.

Der Gebrauch des unbestimmten Artikels

§ 62. Der unbestimmte Artikel ein bedeutet einer von vielen möglichen und hat die Aufgabe, ein beliebiges, noch nicht genanntes Einzelding aus einer Gattung herauszuheben. Die „Unbestimmtheit“, des genannten Dings besteht hierbei darin, daß es nur solche Merkmale besitzt, die es als zu einer Gattung gehörend kennzeichnen. Individuelle Besonderheiten spielen dabei keine Rolle. Den unbestimmten Artikel gebraucht man somit beim erstmaligen Erwähnen, und zwar nur bei denjenigen Gattungsnamen, welche zählbare Begriffe bezeichnen.

Ein Fichtenbaum steht einsam | Im Norden auf kahler Höh´. (H. Heine)

Der Markt ist klein, in der Mitte steht ein Springbrunnen, dessen Wasser sich in ein großes Metallbecken ergießt. (H. Heine)

Er sah durch ein Tor in einen Hof, in dem ein Brunnen stand, und wie er sah, daß dort Buben tranken, den Becher benutzend, der an einer Kette hing, ging er hinein und trank. Dann ging er weiter, bis zu einem sehr großen weiten Platz... (A. Seghers)

Der unbestimmte Artikel, steht häufig bei Substantiven, die als Prädikativ auftreten, denn in diesem Fall bezeichnet er meist eines von den vielen Einzeldingen einer Gattung oder Art (s. auch § 72).

Die Tanne ist ein Nadelbaum.

Die Rose ist eine Blume.

Madame! das alte Stück ist eine Tragödie... (H. Heine)

Der Mann war ein kleiner Versicherungsbeamter, dessen große Zeit mit dem Krieg kam... (E. Claudius)

Da der unbestimmte Artikel ein noch nicht erwähntes Einzelding begleitet, so steht er meist bei Substantiven, die als Objekt zum Verb haben oder in unpersönlichen Sätzen mit es gibt auftreten.

Einen Fahrplan gab es nicht mehr. (L. Frank)

Luise hatte eine Uhr. (A. Seghers)

Karl hatte eine feinmodellierte Nase, einen starken Arm und ein kluges Auge. (L. Frank)

Den unbestimmten Artikel hat häufig ein Substantiv mit dem attributiven Pronomen welcher oder solcher und zuweilen mit dem, Pronomen jeder bei sich: welch ein, solch ein, ein solcher, ein jeder.

„Bei einer solchen großen Kontrolle“, sagte Franz, „kann es doch wirklich nicht schwer sein, einen einzelnen Mann zu finden.“ (A. Seghers)

Solch ein Dreierkollektiv, ruft er den Bauern zu, vermauere in acht Stunden 20 000 Steine und mehr. (W. Bredel)

Heinrich Ramuz hatte mit dem Verstande wohl gewußt, daß es solch gigantisch groteske Armut gab, aber nun erst begriff er, welch ein meilenweiter Weg es ist vom Wissen und Begreifen zum unmittelbaren Erleben. (W. Joho)

Er hatte geglaubt, einem jeden Gesicht, einem jeden Pflasterstein sei die Schande anzusehen... (A. Seghers)

Ein Ding, das bereits zur Genüge bestimmt und daher also bekannt ist, kann, von einer neuen Seite betrachtet, als neu, als „unbestimmt“ hingestellt werden. Dies ist der Fall, wenn auf irgendeine neue Eigenschaft, ein neues Merkmal des Dinges hingewiesen wird. Das Substantiv steht dann mit dem unbestimmten Artikel.

Als Louis eine Viertelstunde später aus dem Hause trat, stand er unter einem dunkelblauen, wolkenfreien Himmel. (St. Hermlin)

Am darauffolgenden Montag fand Hardekopf einen seltsam veränderten Fritz Mengers. (W. Bredel)

Ein weiter, duldsam vieles umfassender Horizont tat sich auf. (Th. Mann)

§ 63. Der unbestimmte Artikel kann auch generalisierende (verallgemeinernde) Bedeutung haben, d. h. ein Ding als zu einer bestimmten Gattung gehörend kennzeichnen, dabei seine Gleichheit mit den anderen Dingen derselben Gattung betonend. In dieser seiner Funktion kommt der unbestimmte Artikel dem bestimmten nahe. (Vgl. § 66).

Nur ein Deutscher (d. h. ein beliebiger Deutscher, ein jeder Deutsche — Die Verf.) kann jenes Lied nachempfinden und sich dabei totlachen und totweinen. (H. Heine)

...in der Not kommt ein Mensch auf alles. (A. Seghers)

Ein Soldat muß bis zur letzten Minute wachsam sein! (B. Kellermann)

Generalisierende Bedeutung hat der unbestimmte Artikel auch bei einem Substantiv, das im Vergleich auftritt. Dabei bezeichnet das Substantiv stets einen zählbaren Begriff.

Wie ein guter Dichter (d. h. wie ein jeder guter Dichter, wie ein beliebiger guter Dichter — Die Verf.) liebt die Natur keine schroffen Übergänge. (H. Heine)

Er hörte jetzt schläfrig auf das Stimmchen der Frau, das gleichmäßig tönte, wie eine Biene oder wie eine Grille. (A. Seghers)

Es klang wie ein Zukunftsmärchen... (W. Bredel)

Der Gebrauch des bestimmten Artikels

§ 64. Der bestimmte Artikel bezeichnet das für jeden gegebenen Fall einzig mögliche Ding. Dabei können die Voraussetzungen, unter denen das Ding als das einzig mögliche auftritt, verschiedenartig sein. Nachdem ein Ding mittels des unbestimmten Artikels aus einer Reihe gleichartiger Dinge herausgehoben worden ist, gilt es in der Folge als das einzige, von dem nun die Rede sein wird, und wird daher mit dem bestimmten Artikel gebraucht. Der bestimmte Artikel steht folglich, wenn ein Begriff bereits vorher erwähnt worden ist.

Es war ein alter König, | Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau; | Der arme, alte König, | Er nahm eine junge Frau. (H. Heine)

Er holt sich den Brief Annas wieder heran, wiegt ihn in der Hand, greift nach dem Brieföffner. Zögert. Ist schließlich froh, daß er durch einen Gast gestört wird. Der Gast ist sein Bruder Martin. (L. Feuchtwanger)

Nicht nur das Ding selbst, welches bei der ersten Erwähnung mit dem unbestimmten Artikel gebraucht worden ist (oder mit dem bestimmten Artikel steht, weil es bereits früher erwähnt wurde), wird herausgehoben, sondern auch alles, was notwendig zu ihm gehört; infolgedessen werden diese zum erwähnten Ding gehörenden Begriffe mit dem bestimmten Artikel gebraucht.

In der Springeltwiete, einer Nebengasse der Steinstraße, steht Frau Hardekopf vor einem Haus, das Holzjalousien vor den Fenstern hat. In dem engen Aufgang wirft eine Lampe trübrotes Licht auf die von einem Läufer bedeckten Treppen. (W. Bredel)

Er blickt von seinem mit Akten, Papieren und Tintenklecksen bedeckten Schreibtisch auf und nach dem Barometer gegenüber an der Wand. Der Zeiger fällt nur langsam, aber mit erschreckender Stetigkeit. (W. Bredel)

Der bestimmte Artikel wird gebraucht, wenn das Ding in einer bestimmten Situation, in bestimmten Verhältnissen stets das einzig mögliche bleibt; dabei wird die Bekanntschaft mit diesem Ding innerhalb eines gewissen Personenkreises vorausgesetzt (im Lande oder im Gebiet, in der Stadt oder im Dorf, auf der Arbeitsstelle oder in der Familie usw).

Rektor François lächelte noch immer, bemüht höflich. Er fand es schwierig, mit dem neuen Lehrer Kontakt zu finden. „Ich glaube, es wird Zeit“, sagte er, „daß ich Sie Ihrer Klasse vorstelle.“

Die Schüler erhoben sich, als die beiden Herren eintraten. (L. Feuchtwanger)

Dann kam der Krieg, und Albert wurde eingezogen. (W. Bredel)

Mit dem bestimmten Artikel stehen in der Regel auch die Benennungen der Tageszeiten, der Wochentage, Monate und Jahreszeiten. Das Datum und die Jahreszahl werden dabei als bekannt vorausgesetzt, und der gebrauchte Zeitbegriff wird dadurch, zu dem einzig möglichen in der gegebenen Situation: am Morgen, am Abend, am Vorabend (eines bestimmten Tages), am Montag, der Sonntag (einer bestimmten Woche); im Januar, der Oktober, der Frühling, im Sommer (eines bestimmten Jahres).

Vom Palast d’Anjou wechselte die Gesellschaft hin über nach Schloß Louvre, dort sollte der am Morgen unterbrochene Ball weitergehen. (H. Mann)

Der Himmel war hoch und klar, kein Nebel war da wie sonst oft im November. (L. Feuchtwanger)

Der Frühling kam stürmisch und sprunghaft. (J. R. Becher)

Den bestimmten Artikel gebraucht man bei den Wörtern, die Begriffe bezeichnen, welche in ihrer Art einzig dastehen, ganz abgesehen davon, ob sie zum erstenmal erwähnt werden oder nicht; so steht der bestimmte Artikel fast durchweg bei den Wörtern: die Sonne, der Mond, die Erde, die Natur, der Nordpol, der Südpol, der Horizont, der Himmel, der Äquator und manchen anderen (s. auch § 61).

Ein Fichtenbaum steht einsam | Im Norden auf kahler Höh’. (H. Heine)

Hinter Nörten stand die Sonne hoch und glänzend am Himmel. (H. Heine)

§ 65. Das Substantiv hat oft nähere Bestimmungen bei sich, die den Begriff aus der Reihe ähnlicher Begriffe herausheben und ihn zum einzig möglichen machen; vor allen Dingen sind es Attribute, die durch eine Ordinalzahl oder ein Adjektiv im Superlativ ausgedrückt sind.

Es ist der erste Mai, und ich denke deiner, du schöne Ilse... (H. Heine)

Der alte Mann war Aldinger, der sechste der sieben Flüchtlinge... (A. Seghers)

Ich bin der höflichste Mensch von der Welt. (H. Heine)

Sie sagte gar nichts, sie sah nur wieder den jüngsten Sohn an... (A. Seghers)

Auch andere Attribute (das Genitivattribut, das präpositionale Attribut, das durch ein Adverb oder einen Infinitiv ausgedrückte Attribut, das erweiterte Attribut sowie ein Attributsatz) machen ein Ding nicht selten zum einzig möglichen in der gegebenen Situation.

Seit dem Tode ihres Mannes teilte Frau Heisler die Wohnung mit der Familie des Zweitältesten Sohnes. (A. Seghers)

Er konnte noch immer von seinem Platz aus den Mann am Eckpfeiler erkennen. (A. Seghers)

Ich will zu einem Kollegen in dem Dorf da drüben. (B. Kellermann)

Hinter Erfurt erreichten sie die Stelle, wo sich die Straßen gabeln. (W. Bredel)

Das einzige lebende Wesen war das Kind, das sie am Morgen gefüttert hatte. Es nutzte jetzt die Gelegenheit, endlich einmal satt zu werden. (A. Seghers)

Das in der Sonne glitzernde Fenster glühte in weißlicher Glut. (H. Fallada)

Der bestimmte Artikel steht bei einem Substantiv mit einer Kardinalzahl oder mit den unbestimmten Numeralien beide und viele als Attribut, wenn der Begriff bereits erwähnt oder sonstwie näher bestimmt wurde. Der Artikel hat in diesem Falle hinweisende Bedeutung.

Montagabend sind dann die sieben Bäume in Westhofen abgeschlagen worden. (A. Seghers)

Am darauffolgenden Sonntag, einem sonnigen Julitag, zogen die drei Vorstandsmitglieder von „Maienblüte“ auf Lokalsuche für das bevorstehende Herbstfest. (W. Bredel)

Und auf den Baustellen wird planvoll gearbeitet, das können die beiden Fahrer auf den ersten Blick erkennen. (W. Bredel)

§ 66. Der bestimmte Artikel kann auch generalisierende (verallgemeinernde) Bedeutung haben, d. h. einen Begriff als Gesamtheit aller seiner Merkmale bezeichnen. Bei zählbaren Begriffen besteht die Verallgemeinerung (zum Unterschied von der generalisierenden Funktion des unbestimmten Artikels, vgl. § 63) darin, daß der erwähnte Begriff, obwohl in der Einzahl gebraucht, alle Vertreter der Art umfaßt.

Der Löwe (d. h. alle Löwen) ist ein Raubtier.

Die Taube (d. h. alle Tauben) ist ein Symbol des Friedens.

Gewiß, auch der Mensch kann ein großer Zerstörer sein, aber er ist ein noch größerer Erbauer. (W. Bredel)

Lähmende Ungewißheit beherrschte den Tag wie die Nacht. (W. Bredel)

Das Unfaßliche... war, daß den Menschen hier das Gold, letztes Ziel und heißestes Begehren aller übrigen Menschheit, nichts bedeutete. (J. Wassermann)

§ 67. Im Plural steht der bestimmte Artikel bei Einzeldingen, wenn entweder alle zu der Gattung zählenden Einzeldinge oder alle Einzeldinge der Gattung in der gegebenen Situation gemeint sind. Der bestimmte Artikel bei Substantiven im Plural hat somit stets generalisierende Bedeutung.

...in meiner Brust ward es plötzlich so heiß, daß ich glaubte, die Geographen hätten den Äquator verlegt, und er laufe jetzt gerade durch mein Herz. (H. Heine)

... es hat doch gewiß seine Bedeutung, da die Deutschen die merkwürdige Gewohnheit haben, daß sie bei allem, was sie tun, sich auch etwas denken. (H. Heine)

Helft Bruchstedt! Helft den Bauern im Katastrophengebiet! So mahnen die Zeitungen. (W. Bredel)

Der Artikel bei Stoffnamen und Abstrakta

§ 68. Beim Gebrauch der Substantive, die zählbare Begriffe, d. h. Einzeldinge, bezeichnen, läßt sich die Bedeutung des Einzelnen und des Allgemeinen, des Bestimmten und des Unbestimmten ausdrücken. Anders steht es mit unzählbaren Begriffen, die entweder nur allgemeine Bedeutung haben (Stoffnamen und Abstrakla) oder nur das Einzelne ausdrücken (Eigennamen und nur in der Einzahl existierende Begriffe); ihr semantischer Inhalt bedingt gewisse Besonderheiten im Gebrauch des Artikels.

Die Stoffnamen und Abstrakta bezeichnen unzählbare Begriffe. Ist der genannte Begriff nicht in seinem Gesamtumfang gemeint, so steht er ohne Artikel.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. (Sprichwort)

Als Georg in das Büfett eintrat und Kaffee und Suppen roch und hinter Glas Brot und Schalen mit Essen sah, vergaß er vor Hunger und Durst Furcht und Hoffnung. (A. Seghers)

Walter erfuhr gute Kameradschaft. (W. Bredel)

Trockenes Brot aß er, aber er lernte und arbeitete. (W. Bredel)

In einigen Fällen werden Stoffnamen und Abstrakta mit dem Artikel gebraucht.

Der bestimmte Artikel bei Stoffnamen und Abstrakta wird gebraucht:

1. zum Ausdruck syntaktischer Verhältnisse, d. h. wenn der Kasus angegeben werden soll;

...das klare Gold der Anschauung für das Papiergeld der Bücherdefinitionen mühsam einwechseln. (H. Heine)

2. sobald ein Stoffname oder Abstraktum seinem Umfang bzw. seinen Merkmalen nach genauer gekennzeichnet wird.

Die Jungen und Mädel jubelten. Das Vertrauen, das die Partei in sie setzte, empfanden sie als ein Geschenk. Das war eine Aufgabe, die sie allein zu meistern hatten, und dazu eine so schöne wie der Bau einer Schule! (W. Bredel)

Die Luft der Freiheit berauscht wie der Wein, in Wind und Sonne getrunken. Das Brot der Freiheit ist süß, wenn es gleich trocken wäre. (H. Mann)

„Wie heißt der Wein hier?“ fragte der Fremde. (A. Seghers)

Mittels des unbestimmten Artikels werden einzelne Eigenschaften, Merkmale, Seiten eines Dings (meist im Attribut ausgedrückt) gekennzeichnet. Der an sich unzählbare Begriff wird als eine Gesamtheit einzelner Merkmale aufgefaßt, als eine Gesamtheit von Sorten, Abarten usw.; eine davon soll genannt werden.

Der mondhelle Fluß gab ein mildes Licht. (Th. Mann)

Es lag ein bräunlicher Dunst über dem flachgewellten Felde neben der Straße... (R. Leonhard)

Hermann runzelte die Stirn mit einem schwachen Schuldgefühl. (A. Seghers)

Ich trank, meinen Handkoffer zwischen die Beine geklemmt, einen Kaffee im Stehen. (A. Seghers)

„Was möchten Sie trinken, einen Tee? ’nen Schnaps?“ (A. Seghers)

Der Artikel bei Eigennamen

§ 69. Bei Personennamen steht der Artikel im allgemeinen nicht, da sie ja schon an sich Einzelwesen bezeichnen und daher nicht hervorgehoben zu werden brauchen.

Kreß stand noch auf demselben Fleck in dem dunklen Teil des Zimmers. (A. Seghers)

Und Tonio Kröger landete in Dänemark. (Th. Mann)

Hier, ganz nahe bei ihm, saßen Hans und Ingeborg. (Th. Mann)

Der Artikel steht aber:

1. wenn dem Personennamen ein Attribut beigegeben ist;

„Ist das der Kreß aus dem Abendkurs? Mit ’ner Brille?“ (A. Seghers)

Der kleine Helwig ging den Feldweg hinauf über eine Erdkrümmung. (A. Seghers)

Der Johann Hardekopf, der vor einem Jahr den Soldatenrock angezogen und unter flotten Militärmärschen durch jubelnde Städte und über den Rhein marschiert war, hatte nur äußerlich Ähnlichkeit mit dem, der nach Kriegsende als Demobilisierter den Waffenrock wieder auszog. (W. Bredel)

2. zur Angabe des Kasus, besonders bei Frauennamen und Namen fremden Ursprungs;

Früher aber, vor ihrer Verheiratung, war unsere neue Wirtin Gesellschafterin, Reisebegleiterin, Garderobiere, ja Freundin der Duse gewesen... (Th. Mann)

Als der Esel mit dem Löwen des Äsopus, der ihn statt seines Jägerhorns brauchte, nach dem Walde ging, begegnete ihm ein andrer Esel... (G. E. Lessing)

Ich machte ihn darauf aufmerksam, ... daß es eine patriotische Feinheit wäre, wenn er den Varus und die übrigen Römer lauter Unsinn sprechen ließe. (H. Heine)

Als sich der Kopf der Grabber zeigte, erzählte Paul rasch hintereinander... (A. Seghers)

3. in der Umgangssprache, mit familiärem Beiklang, manchmal zur Angabe des Geschlechts;

Der Hans und die Grete tanzen herum | Und jauchzen vor lauter Freude. (H. Heine)

Nach zwei, drei Wochen begab sich die Meunier zu ihrer Freundin Annette. (A. Seghers)

Der Paul... und der Hermann radelten um den Franz herum, der vom Rad gesprungen war. (A. Seghers)

4. wenn der Personenname als Name eines Schiffes (in der Regel weiblichen Geschlechts), Sterns oder Planeten gebrauch wirds;

„Morgen geht die »Präsident Wilson« raus“, lenkte der Wirt mich weiter ab. (E. Welk)

Anfangs war der untere Teil des Sternenhimmels, bis zur Andromeda, von Rauchwolken verdeckt. (R. Leonhard)

5. wenn der Personenname zur Bezeichnung eines dichterischen Werkes oder einer Rolle in einem Theaterstück dient;

Der „Götz“ war ein dramatisierter Ritterroman, und diese Gattung liebte man damals. In demWerther“ sah man nur die Bearbeitung einer wahren Geschichte. (H. Heine)

So soll künftig der Othello von einem wirklichen Mohren gespielt werden... (H. Heine)

6. wenn der Name eines Künstlers (Schriftstellers, Malers, Bildhauers usw.) auf sein Werk im allgemeinen (der bestimmte Artikel) oder auf einzelne Werke (der unbestimmte oder auch der bestimmte Artikel) übertragen wird;

Es war der Cäsar, den ihm Fumagalli bei der Abreise verehrt hatte, ein schönes Exemplar, mit schöner Widmung. (B. Frank)

Oben im Kleiderschrank, bei den Hüten, lag wohlversteckt ein schöner, dreißigbändiger, halblederner Goethe... (H. Fallada)

„Von Heinz, meinem Schwiegersohn“, sagte Mimi stolz, als der Bruder die Bilder betrachtete. „Die sind wertvoll. Der eine dort ist ein echter van Gogh.“ (W. Bredel)

7. wenn der Personenname als Gattungsname gebraucht wird (der unbestimmte Artikel im Singular, der bestimmte im Plural, in generalisierender Bedeutung);

Wer wird nicht einen Klopstock loben? | Doch wird ihn jeder lesen? — Nein! | Wir wollen weniger erhoben | Und fleißiger gelesen sein. (G. E. Lessing)

„Ich sage dir, Schwiegervater, die unorganisierten Massen, die werden uns noch einmal zeigen, wie man eine Revolution macht. Ein Louis Schönhusen aber bestimmt nicht.“ (W. Bredel)

Selbst ein Mozart hätte hier nicht mehr reine Engeltöne aus dem himmelblauen Himmel auf sein Notenpapier übertragen können. (E. E. Kisch)

8. zuweilen bei Familiennamen in der Pluralform, wenn die ganze Familie gemeint ist.

„Ich war in Gansenstein, bei den Weißendorfs.“ (B. Uhse)

Die Geschkes saßen zusammen beim Abendessen. (A. Seghers)

... im grauen Reisemantel betrat er den Salon der Grünlichs und umarmte mit einer gewissen schmerzlichen Innigkeit seine Tochter. (Th. Mann)

§ 70. Von den geographischen Eigennamen werden die Städte- und Ländernamen sowie die Namen der Kontinente sächlichen Geschlechts, ferner die Namen vieler größerer Inseln ohne Artikel gebraucht.

... der vierte Morgen seiner Flucht fiel in jene Oktoberwoche, da in Spanien um Teruel gekämpft wurde und die japanischen Truppen in China eindrangen... (A. Seghers)

Mit dem Erlös seines Fundes war Spoelmanns Vater nach Südamerika übergesiedelt... (Th. Mann)

Die „Montreal“ soll untergegangen sein zwischen Dakar und Martinique. (A. Seghers)

Der bestimmte Artikel steht immer bei folgenden geographischen Namen:

1. bei Ländernamen männlichen und weiblichen Geschlechts sowie bei dem Namen der Stadt Haag, der männlichen Geschlechts ist: die Schweiz, die Tschechoslowakei, die Türkei, der Iran (auch: Iran), der Haag u. a.;

2. bei Länder- und Städtenamen mit einem Attribut;

Ich aber nahm das neue Athen sehr in Schutz... (H. Heine)

Sie kennen ja selbst das unbesetzte Frankreich aus dem Herbst 1940. (A. Seghers)

3. bei den Namen der Flüsse, Seen, Meere, Ozeane, Meerstraßen, Berge, Wälder, Wüsten, Täler sowie der Straßen, Plätze, Gassen usw.

Aber auch mich sah der Harz, wie mich nur wenige gesehen... (H. Heine)

Ja, in hohem Grade wunderbar erscheint uns alles beim ersten Hinabschauen vom Brocken. (H. Heine)

Der Main mußte nah sein, er war nicht in einem Garten, sondern in einer Uferanlage. Er erkannte jetzt hinter den Bäumen die glatten, weißen Häuser des Obermainkais. (A. Seghers)

„Ich melde mich“, sagte Füllgrabe eigensinnig. „In der Mainzer Landstraße!“ (A. Seghers)

„Aber die Sahara ist doch französische Sphäre“, warf der Adjutant ein. (R. Leonhard)

§ 71. Die übrigen Eigennamen. Die Benennungen der Planeten und Sternbilder werden stets mit dem bestimmten Artikel gebraucht.

„Ich entsinne mich einer alten, schmalen Straße, über deren Giebeln schief und seltsam der Mond stand.“ (Th. Mann)

Sie fahren dem Sternbild des Orion zu ... (E. E. Kisch)

Die Benennungen der Schiffe sowie die Titel der Werke, Zeitungen, Zeitschriften usw. werden gleichfalls mit dem bestimmten Artikel gebraucht, auch wenn der Artikel nicht zum betreffenden Schiffsnamen oder Titel gehört.

Die „Gustloff“ fuhr vorsichtig im Kielwasser einer langen Kette anderer Schiffe. (K. Grünberg)

Er... las sogar den „Faust“, um Sonja darüber schreiben zu können. (B. Kellermann)

„Sie sind Redakteur der »Hamburger Volkszeitung«? (W. Bredel)

In Oskars Seele aber schmetterten die Blasinstrumente der Festwiese aus den „Meistersingern“. (L. Feuchtwanger)

(Über den Gebrauch des Artikels in Titeln s. § 74.)

Das Fehlen des Artikels

§ 72. Das Fehlen des Artikels kann durch den semantischen Inhalt sowie die syntaktische Funktion des betreffenden Substantivs bedingt sein. Dies ist der Fall:

1. bei Einzeldingen im Plural, wenn sie im Singular sinngemäß mit dem unbestimmten Artikel stehen. Die Artikellosigkelt im Plural weist in solchen Fällen darauf hin, daß nicht alle Einzeldinge derselben Gattung, sondern ein nicht näher bestimmter Teil erwähnt wird;

Auf der Landstraße fing es an, lebendig zu werden. Milchmädchen zogen vorüber; auch Eseltreiber mit ihren grauen Zöglingen. (H. Heine)

Als er weiter ins Innere der Stadt kam, vorbei an mächtigen Kirchen, deren Türme das Stadtbild bestimmten, stand er unversehens vor einem See — mitten in der Stadt. Rings um diesen See, der eingefaßt war von Alleen und Grünanlagen, standen Häuser, und auf dem Wasser fuhren kleine helle Dampfer, viele Segel- und Ruderboote. (W. Bredel)

2. wenn das prädikative Substantiv Beruf, Nationalität oder Parteizugehörigkeit und überhaupt die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft bezeichnet und von keinen näheren Bestimmungen begleitet ist (s. auch § 62);

„Was sagten Sie? Er ist Schriftsteller?“ (Th. Mann)

Klemm war damals Mitglied der Balkankommission. (A. Seghers)

„Ich bin ja jetzt Mutter. Bin Hausfrau. Im Krieg war ich Krankenschwester...“ (A. Seghers)

Ein und dasselbe prädikative Substantiv, das eine Berufsbezeichnung ist, kann zuweilen auch auf gewisse Eigenschaften oder Merkmale einer Person hinweisen. Im ersten Fall wird es artikellos gebraucht, im zweiten mit dem unbestimmten Artikel, vgl.;

Schäfer war er früher, heut’ ist er Nachtwächter im Sägewerk drunten. (F. Erpenbeck)

„Am unglücklichsten aber ist doch Ludwig dran... Er ist nun auch schon zu alt und kann in seinem Beruf nicht mehr arbeiten. Sie müssen von einer kümmerlichen Rente leben. Nebenbei verdient er sich etwas dazu als Nachtwächter in einer Bank.“ — „Mutter, er ist zeitlebens ein Nachtwächter gewesen.“ (W. Bredel)

Im ersten Beispiel bezeichnet das Wort „Nachtwächter“ einen Beruf, im zweiten kennzeichnet es das Wesen eines Mannes als eines beschränkten Spießbürgers.

„Ihr Herr Vater ist also Kaufmann?“ fragte er ein wenig zögernd.

„Ja. Aber außerdem und eigentlich wohl in erster Linie ist er ein Künstler.“ (Th. Mann)

In diesem Beispiel bezeichnet das Wort „Kaufmann“ einen Beruf, das Wort „Künstler“ weist auf eine Eigenschaft des Kaufmanns hin, nämlich auf seine künstlerische Veranlagung.

3. wenn ein Stoffname oder ein Abstraktum ganz allgemein aufgefaßt wird, ohne daß der genannte Begriff in seinem Gesamtumfang gemeint ist (s. § 68);

4. bei Personennamen (s. § 69);

5. oft bei Substantiven, die Verwandtschaftsbezeichnungen sind und in ihrem Gebrauch den Personennamen nahe kommen (nämlich innerhalb einer bestimmten menschlichen Gemeinschaft, meist der Familie);

Es wird dir recht sein, wenn ich dir die Sache abnehme und morgen vormittag selbst mit Mutter spreche? (Th. Mann)

Franz sagte heftig: „Da sieht man, was dir Vater für einen Unsinn erzählt hat.“ (A. Seghers)

6. bei geographischen Namen sächlichen Geschlechts, die Städte, Länder und Kontinente nennen, sowie bei den Namen größerer Inseln (s. § 70).

§ 73. In manchen Fällen ist der artikellose Gebrauch eines Substantivs unabhängig von dessen semantischem Inhalt. Entscheidend sind syntaktische Momente. Der Artikel fehlt:

1. wenn dem Substantiv ein attributives Pronomen oder ein Genitivattribut vorangeht;

Mit deinen schwarzbraunen Augen | Siehst du mich forschend an... (H. Heine)

Die Bauern machten ihren abendlichen Rundgang durch Ställe und Schuppen. (W. Bredel)

Es waren für sie drei schwere Tage, aber jeder Tag war ein Sieg. (W. Bredel)

Glaub mir und hör auf eines Mannes Wort, | der treu und redlich dir ergeben ist... (J. W. Goethe)

Bei Bertrams Eintritt hatten alle geschwiegen und ihn fragend angesehen. (B. Uhse)

2. wenn das attributive Adjektiv im Superlativ nicht in seiner eigentlichen, der relativen, sondern in der absoluten Bedeutung gebraucht wird, d. h. wenn es keinen Vergleich, sondern das Vorhandensein eines Merkmals in erhöhtem Maße ausdrückt (der Elativ, s. § 86);

Günstigste Bedingung für die Lohnarbeit ist möglichst rasches Wachstum des produktiven Kapitals... (K. Marx)

Gritli fügte sich darein; sie verbrachte den Rest des Winters in größter Stille... (G. Keller)

3. meist, wenn dem Substantiv eine Kardinalzahl vorangeht (s. auch § 65);

Drei Tage arbeitet Petra in der Maurerkolonne. (W. Bredel)

Herr Markus Wolfsohn hatte also acht Minuten von seiner Tischzeit eingebüßt, die um zwölf Uhr begann und um zwei Uhr endete. (L. Feuchtwanger)

4. wenn der Begriff als solcher bloß genannt wird;

»Schönheit« ist Ihr drittes Wort, aber im Grunde ist es nichts als Bangebüchsigkeit und Duckmäuserei und Neid...“ (Th. Mann)

„Ja, was ist das, »Genie«?“ sagte er nachdenklich. (Th. Mann)

5. wenn das Substantiv als Anrede oder als Ruf gebraucht wird;

Bester Freund, was ist das Herz des Menschen! (J. W. Goethe)

Ja, liebe Lotte, ich will alles besorgen und bestellen; geben Sie mir nur mehr Aufträge. (J. W. Goethe)

Junger Taler! welche Schicksale erwarten dich!“ (H. Heine)

Wirklich leuchten in den dunklen Hausfronten da und dort Fenster auf, eine schwache, hohe Stimme schreit: „Ruhe!“ (H. Fallada)

„Komm, Kamerad, wollen mal versuchen aufzustehen. Hier liegenbleiben kannst du ja nicht.“ (F. Erpenbeck)

Alter, hau’ ab!“ rief jemand neben Hardekopf. (W. Bredel)

6. wenn ein Substantiv in einer präpositionalen Wendung (mit kongruierendem Attribut) auftritt, die im Satz meist Adverbialbestimmung oder prädikatives Attribut ist. In der Regel bezeichnet das Substantiv einen Körperteil, oder es ist ein Abstraktum.

Als er sie begriffen hatte, erhob er sich, er wies mit gelbem Finger auf sein gestärktes Vorhemd, die breite Trauerkrawatte. (H. Mann)

Franz setzte sich auf sein Rad und fuhr diesmal in entgegengesetzter Richtung auf dem Feldweg nach Breilsheim hinunter... (A. Seghers)

„Oh, oh“, warnte in sanftem Erschrecken ein dicker, gutgekleideter Mann mit schwammigem Gesicht, „damit darf man doch nicht rechnen.“ (F. Erpenbeck)

§ 74. Der Artikel kann auch aus stilistischen Gründen ausgelassen werden, namentlich dort, wo Kürze angestrebt wird, wie:

1. in Militärkommandos: Hände hoch! Gewehr über!;

Gneisenau... richtete sich im Sattel auf und befahl Galopp. (W. Bredel)

2. in Titeln sowie in Schlagzeilen der Zeitungen;

Manifest der Kommunistischen Partei“ von K. Marx und F. Engels

Abschied“ von J. R. Becher. „Totentanz“ von B. Kellermann

Großer Sieg der westdeutschen Friedenskämpfer“ (Schlagzeile)

Anmerkung: Die Titel der wissenschaftlichen und literarischen Werke weisen jedoch häufig den Artikel auf, da der Titel den Inhalt des wissenschaftlichen bzw. des Kunstwerks gewissermaßen zusammenfaßt:

Die Wahlverwandtschaften“ von J. W. Goethe. „Das Kapital“ von K. Marx. „Der deutsche Bauernkrieg“ von F. Engels. „Die Rettung“ von A. Seghers.

3. auf Aushängeschildern und in Bekanntmachungen: Post. Bäckerei. Ausverkauf. Bekanntmachung;

Sie geht zu einer Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift „Garderobe“ hängt. (E. M. Remarque)

4. bei der Aufzählung, häufig auch bei paarweise auftretenden Substantiven;

Fritz Hardekopf saß am Sonntagnachmittag in der guten Stube, Reißbrett, Lineal, Zirkel und Winkelmaß vor sich, und zeichnete den Grundriß eines Segelschiffs. (W. Bredel)

Bei Lebenden und Toten zeigt sich plötzlich in Antlitz, Haltung und Stimme der Gang der Geschichte... (St. Hermlin)

Und es war nichts als seine innere Schwäche und Verzweiflung, die vor Mutter und Schwester, während dieses Auftrittes hervorbrach. (Th. Mann)

Haupttür und Treppe lagen auf dieser Schmalseite, dem Gewächshaus gegenüber. (A. Seghers)

5. in vielen Sprichwörtern und formelhaften Wendungen (namentlich wenn es präpositionale Wendungen sind), teils um der Kürze willen, teils weil ihre Entstehung in die Entwicklungsperiode der Sprache fällt, wo es noch keine feststehenden Regeln für den Gebrauch des Artikels gab: Not bricht Eisen. Blinder Eifer schadet nur. Gelegenheit macht Diebe. Ende gut — alles gut. Steter Tropfen höhlt den Stein. Nach getaner Arbeit ist gut ruhen; zu Fuß gehen; zu Mittag essen, zu Gast, zu Hause, nach Hause, zuBett gehen; nach Tische, an Ort und Stelle, an Stelle, mit Rat und Tat beistehen, mit Weib und Kind, mit Stumpf und Stiel, in Betracht ziehen, Hand in Hand, in Brand stekken, in Frage kommen, auf Schritt und Tritt, auf Erden, über Nacht, Hals über Kopf, vor Gericht, seit Jahr und Tag, von Zeit zu Zeit, von Kind auf, bei Nacht und Nebel, Schritt für Schritt, Haus und Hof, Hab und Gut, Tag und Nacht; Platz nehmen, Klavier spielen (auch Schach, Geige usw.), Zeit (Lust, Gelegenheit) haben, Gebrauch machen, Aufsehen erregen, Beifall klatschen, Licht machen, Wind bekommen usw.

Heinrich war vom Sanatorium nach Hause gekommen. (W. Joho)

Da er zu Fuß kam, wurde er ohne viel Feierlichkeit empfangen. (Th. Mann)

Aber dann war das Gedicht zu Ende. (Th. Mann)

Die Leute gingen von Fenster zu Fenster... (Th. Mann)

Es galt also Abschied zu nehmen von allem, mit dem ich bis dahin verwachsen war. (A. Scharrer)

Peter Röhl lacht ein leises, warmes Lachen und schlendert weiter, langsam, Schritt für Schritt... (F. Erpenbeck)

Die Verschmelzung von Präposition und Artikel

§ 75. Drei Singularformen des bestimmten Artikels (Dat. mask. und neutr. dem, Akk. neutr. das, Dat. femin. der) können zuweilen, bei einem Substantiv mit Präposition gebraucht, mit manchen Präpositionen zu einem Wort verschmelzen: an, bei, in, von, zu + dem = am, beim, im, vom, zum; an, auf, für, hinter, über, um + das = ans, aufs, fürs, hinters, übers, ums; zu + der = zur.

Die Verschmelzung findet jedoch nur statt, wenn der Artikel völlig unbetont ist. Dies ist der Fall:

1. in den meisten präpositionalen Wendungen;

Im Halbschlaf versuchte er unter dem alten gewohnten Zwang sich alle Geräusche im Haus zu erklären... (A. Seghers)

Aldingers Frau hatte ihren Kindern das Essen aufs Feld gebracht. (A. Seghers)

Anmerkung. Sobald aber der Artikel auf ein nachfolgendes Attribut oder einen Nebensatz hinweist, geschieht die Verschmelzung in der Regel nicht.

Kreß stand noch auf demselben Fleck in dem dunklen Teil des Zimmers. (A. Seghers)

Er erinnerte sich des Fliegers, den er beherbergt hatte, und fühlte sich mitschuldig an dem Unglück, das über sie gekommen war. (B. Uhse)

Er hob die Ellbogen vom Tisch auf und rückte näher an Christensen heran, der von dem Brief berichtete, den sie bekommen... (B. Uhse)

2. in vielen formelhaften Wendungen: übers Ohr hauen, hinters Licht führen, im Bilde sein, aufs Haupt schlagen, zum Narren halten, ums Leben kommen, aufs Geratewohl, beim Wort nehmen und vielen anderen.

... Der Reinhold ist nun auch fort — er war ein vornehmer Maler und hat mich zum Narren gehalten mit seiner Küperei. — (E. T. A. Hoffmann)

Vor nunmehr drei Stunden hat ihn Fiedler beim Wort genommen. (A. Seghers)

Rat und Aufklärung suchend, stellte Eduard bei Gelegenheit seine Schwester zur Rede. (Th. Mann)

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Vorwort
Einleitung
Morphologie
Die grammatischen Formen des Wortes
Kapitel I. Die Wortarten
Kapitel II. Das Substantiv
Kapitel III. Der Artikel
Kapitel IV. Das Adjektiv
Kapitel V. Das Pronomen
Kapitel VI. Das Numerale
Kapitel VII. Das Verb
Kapitel VIII. Das Adverb
Kapitel IX. Das Modalwort
Kapitel X. Die Präposition
Kapitel XI. Die Konjunktion
Kapitel XII. Die Partikel
Kapitel XIII. Die Interjektion
Syntax
Kapitel I. Der Satz
Kapitel II. Die Wortgruppen
Kapitel III. Die Hauptglieder des Satzes
Kapitel IV. Die Nebenglieder des Satzes
Kapitel V. Die gleichartigen Satzglieder
Kapitel VI. Schwankungsfälle bei der Bestimmung von Satzgliedern
Kapitel VII. Die Absonderung
Kapitel VIII. Die Wortfolge (Wortstellung) im einfachen erweiterten Satz
Kapitel IX. Die Anrede
Kapitel X. Der zusammengesetzte Satz
Kapitel XI. Die Zeichensetzung
Anhang
A. Vokalkürze und Vokallänge
B. Die Bezeichnung gleicher oder ähnlicher laute durch verschiedene Buchstaben
C. Die Anfangsbuchstaben
D. Die Schreibung von Fremdwörtern
E. Die Silbentrennung
Quellennachweis zu den belegen


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