Kapitel VIII. Kapitel VIII. Die Wortfolge (Wortstellung) im einfachen erweiterten Satz
§ 292. Die Stellung der Satzglieder innerhalb eines Satzganzen die Wortfolge oder Wortstellung im Satz ist ein wichtiges Mittel, die syntaktischen Beziehungen der Satzglieder zueinander auszudrücken. Sie spielt daher für den Satzbau eine wichtige Rolle.
Allgemeine Regeln der Wortfolge im deutschen Satz sind nicht abzuleiten. Das gilt vor allen Dingen für die Nebenglieder des Satzes, deren Stellung im Satz eine in gewissen Grenzen freie ist. Nur das Attribut ist relativ gebunden: es steht immer bei seinem Beziehungswort. Die Hauptglieder dagegen sind an einen bestimmten Platz im Satz gebunden. Die Stellung der Hauptglieder bestimmt oft die Satzart, d. h. übt eine grammatische Funktion aus. Haupt- und Nebensatz, Aussage- und Fragesatz unterscheiden sich voneinander durch die Stellung des Subjekts und des Prädikats.
Die Stellung der Hauptglieder im Satz
§ 293. Im Aussagesatz stehen Subjekt und Prädikat (nämlich sein finiter Teil) als die Hauptbestandteile eines Satzes meist nebeneinander. Für das finite Verb ist die Zweitstellung kennzeichnend. Das Subjekt kann vor oder nach dem finiten Verb stehen. Nimmt das Subjekt die Anfangsstellung ein, so spricht man von der geraden Wortfolge.
Graeber blickte nach oben. Der Himmel war klar und ohne Wolken. (E. M. Remarque)
Nicht minder häufig steht das Subjekt unmittelbar nach dem finiten Verb; man bezeichnet diese Wortstellung als die invertierte (die Inversion). In diesem Falle nimmt irgendein Nebenglied (namentlich eine Adverbialbestimmung) oder das Formwort es die Anfangsstellung ein. Innerhalb eines Satzgefüges kann auch ein Nebensatz die Anfangsstellung einnehmen.
Dem Wagen voran schritten drei Trommler... (W. Bredel)
Blau hing die Dämmerung in den Ruinen. (E. M. Remarque)
Ganz in der Nähe der drei Herren knackte ein Schlüssel in einem Haustor, aber es erschien niemand. (H. Fallada)
Bedeutend seltener rückt das Subjekt näher dem Satzende zu oder kommt am Satzende zu stehen. Das geschieht meist zur Hervorhebung des Subjekts.
Dunkel ragte gegenüber die Silhouette der Schule aus dem weißen Dunst. (E. M. Remarque)
Unter der Leselampe erwartet ihn aufgeschlagen sein Plutarch. (H. Fallada)
Andern Tags wartete auf Charlotte Corday im Haus ihrer Tante ein Fremder, ein schlanker, aber durchaus nicht mehr junger Mensch in einem einfachen dunklen Rock. (W. Bredel)
Es donnert, zischt und schreit noch lauter die Stadt. (H. Fallada)
Nur für das Subjekt, das durch einen Infinitiv bzw. eine Infinitivgruppe ausgedrückt wird, auf welche das Korrelat es vorausweist, ist die Endstellung im Satz kennzeichnend.
Es fängt schon an, dunkel zu werden. (Th. Mann)
Es war gut, Zigaretten zu haben. (E. M. Remarque)
Es war plötzlich schwer, wegzugehen, das Gespinst aus Zärtlichkeit, Entspannung, Stille und Erregung zu zerreißen... (E. M. Remarque)
§ 294. Für das finite Verb ist, wie bereits erwähnt, die Zweitstellung im Satz kennzeichnend.
Das Auto hielt auf dem Hof, der Chauffeur stand rauchend daneben. (H. Fallada)
Frau Kluge ist in ihre Küche zurückgekehrt. (H. Fallada)
Plötzlich wurde Marion von Unruhe und Angst erfaßt. (B. Kellermann)
Abweichungen von dieser Regel sind sehr selten. Sie kommen in der Poesie vor, in Werken, in denen Volkstümlichkeit angestrebt wird (Märchen, Parabeln), zuweilen in der Umgangssprache. Die Abweichungen können von zweierlei Art sein:
1. das finite Verb nimmt die Endstellung ein;
...Und keiner den Becher gewinnen will. (F. Schiller)
...Und alle die Männer umher und Frauen | Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen. (F. Schiller)
2. das finite Verb nimmt die Anfangsstellung ein. Dabei bleibt die trennbare Vorsilbe oft beim Verb stehen, sie wird nicht abgetrennt.
Sah ein Knab ein Röslein stehn... (J. W. Goethe)
Aufflog die Tür, und herein stürmte ein kleiner, säbelbeiniger Greis... (H. Fallada)
Das finite Verb ist meist nur ein Teil des Prädikats. Der andere, der nichtkonjugierte Teil des Prädikats (oder der trennbare Teil des Verbs) steht im Satz an letzter Stelle. Das ganze Prädikat bildet somit einen verbalen Rahmen (Satzrahmen), der alle Satzglieder mit Ausnahme eines einzigen (das die Anfangsstellung innehat) faßt:
Er hatte mit gesenkter Stirn am Fenster gestanden. (H. Fallada)
Mittlerweile war es halb zehn Uhr geworden, nichts war mehr zu tun, man konnte allenfalls ins Bett gehen. (H. Fallada)
Die Verwundeten wurden in eine der Baracken gebracht. (E. M. Remarque)
Das ebene Land im Süden war von Wäldern und Äckern in viele Rechtecke zerschnitten. (B. Uhse)
Das Match fand am Sonntag, dem 25. Mai 1913, statt. (E. E. Kisch)
Einen Rahmen bilden meist auch die Teile eines Prädikats, das durch eine lexikalische Einheit ausgedrückt ist:
Wir nahmen an einem runden Tisch Platz. (E. E. Kisch)
...dann brachte sie etwas Neues aufs Tapet... (A. Seghers)
§ 295. Der nichtkonjugierte Teil des Prädikats kann seinerseits aus zwei und (selten) drei Teilen bestehen. Diese stehen immer nebeneinander und sind folgendermaßen geordnet:
1. im einfachen verbalen Prädikat steht das Hilfsverb nach dem Vollverb;
So war Petra wieder in ihre Zelle geführt worden... (H. Fallada)
...und solch ein bildhübsches Mädel wie die Trudel dort wird bald einen neuen Freund gefunden haben. (H. Fallada)
2. im zusammengesetzten verbalen Prädikat steht am Ende die Verbalform, welche von dem finiten Verb abhängt;
Sie hätte auf mich warten können, sagte Bernhard leise und verlegen. (E. M. Remarque)
Der junge Mann hat zu pfeifen aufgehört... (H. Fallada)
Mit dieser Verschwörung des Schweigens glaubtet ihr dies Verbrechen vergessen machen zu können? (W. Bredel)
3. das Prädikativ steht vor dem Infinitiv bzw. Partizip II des Verbs, das als Kopula auftritt;
In der vergangenen Nacht war er sehr krank gewesen. (H. Fallada)
Die Nacht war kalt geworden. (E. M. Remarque)
Nun, er wird ruhiger werden... (H. Mann)
4. das Substantiv oder die präpositionale Wendung innerhalb einer lexikalischen Einheit steht meist vor dem Infinitiv bzw. Partizip II des Verbs.
Die beiden Herren hatten in dem verwüsteten Wohnzimmer Platz genommen... (H. Fallada)
Frau Kluge hatte keine Angst bekommen. (H. Fallada)
Er ist ein sehr alter Mann, er hätte sich gerne längst zur Ruhe gesetzt. (H. Fallada)
§ 296. Die Rahmenkonstruktion ist eine Eigentümlichkeit des deutschen Satzes. Sie trägt dazu bei, den Satz zu einem einheitlichen Ganzen zu gestalten. Es kommt jedoch nicht selten vor, daß der Rahmen nicht alle Satzglieder faßt, denn die beiden Teile des Rahmens dürfen nicht zu weit auseinander treten; irgendein Satzglied kommt daher oft außerhalb des Rahmens zu stehen. In manchen Fällen ist das zur Regel geworden, so bei den Infinitivgruppen (seltener beim Infinitiv ohne nähere Bestimmungen).
Seine Frau war hinunter zu Tielemanns gegangen, Milch holen... (W. Bredel)
Marion war von Herzen froh, nicht allein zu sein. (B. Kellermann)
§ 297. Außerhalb des Rahmens steht oft:
1. eine Adverbialbestimmung des Vergleichs;
Die Häuser waren abgebrannt wie trockene Späne. (E. M. Remarque)
Die Dämmerung drang nicht von außen ein wie an gewöhnlichen Abenden. (A. Seghers)
In keiner Stadt war er mehr gefährdet als hier... (A. Seghers)
2. ein Satzglied oder ein Korrelat, auf welches sich ein Nebensatz, meist ein Attributsatz, bezieht;
...des Grafen Adjutant... war mit seinen Gedanken fern jenen Befürchtungen, die dem Grafen Sorgen machten... (W. Bredel)
Ich muß Ihnen schreiben, liebe Lotte, hier in der Stube einer geringen Bauernherberge, in die ich vor einem schweren Wetter geflüchtet habe. (J. W. Goethe)
3. eine Anhäufung gleichartiger Satzglieder:
Am ändern Tage mußte Reinhard mit ihm hinaus; auf die Äcker, in die Weinberge, in den Hopfengarten, in die Spritfabrik. (Th. Storm)
Dann kam ein Päckchen mit feiner gestickter Wäsche zum Vorschein, Tücher und Manschetten, zuletzt Briefe von der Mutter und von Elisabeth. (Th. Storm)
...er war an den Auszug zur Feldarbeit nicht mehr gewohnt; an die Kinder und an die Kuhwirtschaft. (A. Seghers)
Neuerdings macht sich immer mehr die Tendenz geltend, Objekte und Adverbialbestimmungen, ausgedrückt durch präpositionale Wendungen, aus dem Rahmen herauszunehmen.
Sie händigte mir den Schlüssel ein mit der Blechnummer. (A. Seghers)
Aber einfach wird es nicht sein für den kleinen Hansl aus Deggenburg... (L. Feuchtwanger)
Nun war es gänzlich Nacht geworden über dem sommerlichen Garten. (W. Joho).
Graeber wurde verlegen unter ihrem Blick. (E. M. Remarque)
Eine Weile war es still im Zimmer. (H. Fallada)
Außerhalb des Rahmens stehen häufig abgesonderte Satzglieder. (Näheres darüber s. § 286 ff.)
Zu einer vollständigen Aufhebung der Rahmenkonstruktion kommt es, wenn der unflektierbare Teil des Prädikats die Anfangsstellung einnimmt. Dies kommt jedoch recht selten vor und ist ein stilistisches Mittel, das Prädikat mit besonderem Nachdruck hervorzuheben.
Gekommen bin ich, weil ich noch einmal mit dir sprechen wollte... (B. Uhse)
Launisch ist das Wetter im Harz das ganze Jahr über... (B. Uhse)
Absteigen wollte er im Hotel Kaiserhof... (L. Feuchtwanger)
§ 298. Die Stellung des Pronomens bzw. der Partikel sich.
Ist das Prädikat durch ein Verb mit sich ausgedrückt, so ist folgendes zu berücksichtigen:
1. bei der geraden Wortfolge steht sich unmittelbar nach dem finiten Verb;
Die vom Wenzelsplatz vertriebenen Demonstranten gruppierten sich immer wieder. (E. E. Kisch)
Wolfgang sah sich alles genau an. (B. Kellermann)
Ich freute mich, daß wir Einquartierung bekämen... (H. Heine)
Ihr wundert euch vielleicht, daß ich euch mit diesen Worten anrede... (W. Bredel)
2. bei der invertierten Wortfolge steht sich nach dem Subjekt, wenn dieses ein Personalpronomen oder das unbestimmtpersönliche Pronomen man ist.
Nun richtete er sich am Schreibtisch auf... (B. Kellermann)
Nach einer Weile erinnerte ich mich an das Lachen, mit dem Hartinger auf mich zugekommen war. (J. R. Becher)
Drei Minuten später hat man sich im Salon und im Wohnzimmer gruppiert... (Th. Mann)
In den übrigen Fällen steht sich meist nach dem finiten Verb (wie bei der geraden Wortfolge).
Eine Weile blickten sich die beiden Greise wortlos an. (W. Bredel)
Da wandte sich Georg Wiegler... an Marie... (B. Uhse)
Aber auch:
...plötzlich färbte ihr zartes Gesicht sich mit einer matten Röte. (Th. Mann)
In den Infinitiv- und Partizipialgruppen, und meist auch im erweiterten Attribut, steht sich am Anfang der Wortgruppe, es bildet mit der Verbalform einen Rahmen.
Unsere drei Freunde werden angewiesen, sich auf die Bank zu setzen... (E. E. Kisch)
Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen. (J. W. Goethe)
Das sich aus diesen besitzlosen Massen eben erst als Stamm einer neuen Klasse absondernde Proletariat, noch ganz unfähig zu selbständiger politischer Aktion, stellte sich dar als unterdrückter, leidender Stand... (F. Engels)
§ 299. Die Stellung der Negation nicht in einem negativen Satz ist keine streng gebundene. Nicht steht immer nach dem finiten Verb und meist unmittelbar vor dem nichtkonjugierten Teil des Prädikats. Ist das Prädikat nur durch das finite Verb ausgedrückt, so nimmt nicht meist die Endstellung ein.
Die gelblichgraue Gardine bewegte sich nicht. (H. Fallada)
Er hat die Jacke vielleicht als seine nicht anerkannt. (A. Seghers)
Zuweilen steht die Negation nicht in einem negativen Satz vor einer präpositionalen Wendung, namentlich wenn diese als Adverbialbestimmung des Ortes auftritt:
Er meldete sich nicht bei Cayetana. (L. Feuchtwanger)
Wir gingen nicht zur Schule, überhaupt nicht auf die Straße. (E. E. Kisch)
...Warum ist Fritz nicht mit dir gekommen? (A. Seghers)
...er schien ihr ganz und gar nicht zu ihrem Jungen zu passen. (W. Bredel)
(Über die Stellung der Negation nicht in bejahenden Sätzen s. § 232.)
§ 300. Die Stellung der Hauptglieder in Fragesätzen. Die Wortstellung der Hauptglieder in Fragesätzen hängt von der Art des Fragesatzes ab. In Entscheidungsfragen nimmt das finite Verb die Anfangsstellung ein. Das Subjekt steht meist gleich danach.
Ist dies die erste Klasse? fragte sie immer wieder. (Th. Mann)
Hast du keine Augen im Kopf, siehst du nicht, was los ist? ( B. Uhse)
In Ergänzungsfragen nimmt das finite Verb (wie im Aussagesatz) die Zweitstellung ein. Die Anfangsstellung gehört dem Fragewort, unabhängig von seiner syntaktischen Funktion. Ist das Fragewort nicht das Subjekt, sondern ein Nebenglied des Satzes, so steht das Subjekt nach dem finiten Verb.
Wer kommt, wer ist bei der gnädigen Frau? fragte der Förster, vollkommen verwirrt. (H. Fallada)
Was haben wir heute zum Essen? (H. Fallada)
...Wann kommst du wieder, heute oder morgen? (A. Seghers)
Wie lange ist Ihr Sohn schon ohne Arbeit? (E. E. Kisch)
Ist das Fragewort ein Attribut zu einem Substantiv, so nimmt es innerhalb der Substantivgruppe die erste Stelle ein. Das finite Verb behält die Zweitstellung bei, steht aber nicht gleich nach dem Fragewort, sondern nach der ganzen Wortgruppe.
Und was wollen Sie jetzt anfangen, Gleichen? fragte er. Welche Pläne haben Sie? (B. Kellermann)
Wieviel Einwohner besaß die Stadt? Welche Straßen führten von der Trave zur oberen Stadt hinauf? (Th. Mann)
§ 301. Die Stellung der Hauptglieder in Aufforderungssätzen. In Aufforderungssätzen mit dem Prädikat im Imperativ nimmt das finite Verb die Anfangsstellung ein.
Komm, setze dich hier auf das Sofa, Mathilde. (H. Fallada)
Macht Schluß! Erwin verstand die Worte, obwohl sie der Hauptmann nur knurrte. (A. Seghers)
Sind solche Aufforderungssätze zweigliedrig, so steht das Subjekt gleich nach dem finiten Verb:
Machen Sie doch Platz! Stehen Sie doch nicht so breit da! (H. Fallada)
Fahren wir also nach Haus, Studmann! sagte der Rittmeister ärgerlich. (H. Fallada)
Aufforderungssätze mit dem Prädikat im Präsens oder Futur I Indikativ haben die gleiche Wortfolge wie die Aussagesätze, sie unterscheiden sich von diesen nur durch den Satzton.
Sie fahren nicht weiter! schrie er. Sie tun es nicht! Sie fahren dort draußen und nicht auf dem Wege zum Friedhof, hören Sie mich?! Sie steigen ab, Sie steigen sofort ab! (Th. Mann)
Ihr werdet euch jetzt hinlegen und zu schlafen versuchen, während Vater den alten Hinze holt... (F. Erpenbeck)
In Aufforderungssätzen, die die Form von Nebensätzen haben, nimmt das finite Verb die Endstellung ein, das Subjekt kommt meist gleich nach der Konjunktion.
Friedrich ist mir auch recht lieb, aber daß du mir ja nicht den Reinhold verachtest. (E. T. A. Hoffmann)
Daß es mir aber keine Streitereien mit der Mathilde gibt ! (H. Fallada)
Die Stellung der Nebenglieder im Satz
§ 302. Die Nebenglieder des Satzes sind ihrer Stellung nach im Satz bedeutend freier als die Hauptglieder. Doch auch für die Stellung der Nebenglieder lassen sich manche Richtlinien geben. Je enger zwei Wörter dem Sinn nach miteinander verknüpft sind, desto enger sind auch ihre syntaktischen Beziehungen. So steht das Attribut stets bei seinem Beziehungswort; das Objekt steht meist beim Verb, mit dem es durch Rektion verbunden ist.
Am lockersten ist die Verbindung zwischen Prädikat und Adverbialbestimmung, denn diese bezieht sich meist nicht so sehr auf das Prädikat als vielmehr auf den ganzen Satz. Auch die Art ihrer syntaktischen Verbindung die Anschließung ermöglicht ihr die größte Bewegungsfreiheit innerhalb des Satzes.
§ 303. Das Attribut nimmt im Satz keine selbständige Stellung ein, denn es ist stets an sein Beziehungswort gebunden, das im Satz verschiedene syntaktische Funktionen ausüben kann. Das Attribut kann dem Beziehungswort vor- oder nachgestellt werden. Das hängt meist mit seiner grammatischen Form zusammen. Das kongruierende Attribut wird dem Beziehungswort stets vorangestellt.
Er hat blondes, gekräuseltes Haar... (H. Fallada)
Ihre schönen, blassen Hände, ohne Schmuck bis auf den schlichten Ehering, ruhten in den Schoßfalten eines schweren und dunklen Tuchrockes... (Th. Mann)
Von mehreren kongruierenden Attributen, die durch verschiedene Wortarten ausgedrückt werden, kommt zuerst das Pronomen, dann das Numerale; das Adjektiv bzw. Partizip steht dem Beziehungswort am nächsten.
Seine ältliche Frau und zwei fast erwachsene Töchter wohnten mit seinen eigenen Eltern zusammen... (A. Seghers)
Sie sprach freimütig und freundlich mit ihrer leicht verschleierten Stimme... (Th. Mann)
Unsere drei Freunde werden angewiesen, sich auf die Bank zu setzen... (E. E. Kisch)
Von mehreren attributiven Adjektiven setzt man dasjenige unmittelbar vor das Beziehungswort, welches mit diesem am engsten verbunden ist.
Ihr Schwiegersohn war doch ein kräftiger junger Mann ohne besondere Krankheit. (A. Seghers)
Sie nannte ihn Freund, nun gut, sie lasen neuere philosophische Bücher zusammen... (A. Zweig)
Wenn das Beziehungswort einen Artikel bei sich hat, so steht das kongruierende Attribut zwischen Artikel und Substantiv, die somit einen grammatischen Rahmen bilden. Besonders klar tritt dieser Rahmen zutage, wenn das Attribut ein erweitertes ist. Er faßt dann nicht nur das Attribut selbst, sondern alle seine näheren Bestimmungen, welche ihrerseits durch Substantivgruppen ausgedrückt sein können. Innerhalb des erweiterten Attributs steht das eigentliche Attribut (Partizip oder Adjektiv), dem Beziehungswort am nächsten.
Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweise der Industrie reichte nicht mehr aus für den mit neuen Märkten anwachsenden Bedarf. (K. Marx/F. Engels)
Ein und dasselbe Beziehungswort kann außer einem erweiterten Attribut ein oder mehrere attributive Adjektive bzw. Partizipien bei sich haben. Diese können dem erweiterten Attribut vor- oder nachgestellt werden.
Die lange, ziemlich breite Allee, an deren Ende Zeckes Villa liegt, tut sich vor Pagel auf. (H. Fallada)
Ein weiter, duldsam vieles umfassender Horizont tat sich auf. (Th. Mann)
Enno erzitterte unter dem Blick dieser mitleidslos auf ihn gerichteten höhnischen Augen. (H. Fallada)
§ 304. Das nichtkongruierende Attribut wird dem Beziehungswort meist nachgestellt. Das gilt für das präpositionale Attribut sowie für die Attribute, welche durch Infinitive und Adverbien ausgedrückt sind.
Der Himmel hinter den Wolken war sehr blau. (E. M. Remarque)
Mein Wunsch, mich anzuschließen, wurde gut aufgenommen. (A. Seghers)
Die Dreschmaschine draußen singt und brummt... (H. Fallada)
Auch das Genitivattribut wird seinem Beziehungswort meist nachgestellt. Nur wenn es durch einen Eigennamen ausgedrückt ist, wird es oft vorangestellt.
Am Tisch der Stube achtundvierzig spielten vier Mann Skat. (E. M. Remarque)
Tonio Krögers Herz zog sich schmerzlich zusammen bei diesem Gedanken. (Th. Mann)
Er konnte die Worte Klemms nicht ganz verstehen... (A. Seghers)
Von den nichtkongruierenden Attributen werden die Kardinalzahlen und die undeklinierbaren Adjektive stets vorangestellt.
Drei Tische mit Stühlen standen an den Wänden. Ein Bild hing über dem mittleren. Es war eine Tiroler Landschaft. (E. M. Remarque)
§ 305. Die gebundene Apposition wird dem Beziehungswort meist vorangestellt:
Mein Freund Hugo zog aus seiner Aktentasche Photos von neuen Filmen. (E. E. Kisch)
Frau Polanski schaut ihren Sohn groß an. (E. E. Kisch)
Sie wird nachgestellt, wenn das Beziehungswort ein Pronomen ist, wenn die Apposition einen Beinamen bezeichnet oder wenn sie durch als an das Beziehungswort geknüpft wird.
Inzwischen standen wir Journalisten auf dem Korridor, umgeben von den Hausbewohnern... (E. E. Kisch)
In diesem Wägelchen aber saß das Kind, saß Anton Klöterjahn der Jüngere... (Th: Mann)
Er mochte den aufgeweckten Jungen nicht leiden, konnte ihn als Funker aber nicht entbehren. (R. Petershagen)
Die lose Apposition steht immer nur nach dem Beziehungswort. Zuweilen löst sie sich von ihm los und kommt am Ende des Satzes zu stehen.
An seinem dreißigsten Geburtstage, einem hellen und warmen Junitage, saß er nach dem Mittagessen in dem grauen Gartenzelt... (Th. Mann)
Es war Gerda, die Mutter zukünftiger Buddenbrooks. (Th. Mann)
Pagel wurde in das Arbeitszimmer des Mannes geführt, einen großen, fast düsteren Raum... (H. Fallada)
§ 306. Das Objekt steht bei der geraden Wortfolge in der Regel gleich nach dem finiten Verb.
Er saß vorgebeugt und hielt den Hut zwischen den Knien. (Th. Mann)
Sie erwartete ihren Freund jeden Augenblick. (A. Seghers)
Er erblickte den älteren Alwig in den Rüben und rief ihn an. (A. Seghers)
Georg folgte dem Männlein vom Weg ab über den Wiesengrund. (A. Seghers)
Bei mehreren Objekten zu einem Prädikat gelten folgende Regeln:
1. Enthält der Satz ein Akkusativ- und ein Dativobjekt und sind beide durch Substantive ausgedrückt, so steht das Dativobjekt zuerst.
Freitag nachmittag packte Frau Peachum ihrem Mann ein Hemd und einige Kragen in eine Handtasche... (B. Brecht)
Ein Schüler der unteren Klasse mußte dem Schüler der höheren Klasse die Stiefel putzen... (J. R. Becher)
2. Ist eines der beiden Objekte ein Pronomen, so steht das Pronomen vor dem Substantiv.
Warum... hat er alles der Frau erzählen müssen? (A. Seghers)
Fabian schob ihr mechanisch einen Sessel zu... (B. Kellermann)
3. Sind beide Objekte durch Pronomen ausgedrückt, so steht das Pronomen es vor den anderen.
Nimm es ihr nicht übel. (E. Claudius)
Der Herr Leutnant..., eine Zigarette zwischen den Lippen,... verlangt Feuer. Der Förster gibt es ihm. (H. Fallada)
4. Das präpositionale Objekt wird den anderen Objekten meist nachgestellt, ausgenommen jedoch das Objekt, welches durch einen Infinitiv bzw. eine Infinitivgruppe ausgedrückt ist. Dieses nimmt im Satz stets die Endstellung ein.
Ich erzählte unserm Chefredakteur von dem Telegramm. (E. E. Kisch)
Der Hauptmann befahl ihm barsch, an den Tisch zu treten. (A. Seghers)
Die Anfangsstellung des Objekts, für dieses ein recht seltener Fall, ist meist ein Mittel zu dessen Hervorhebung.
Kinder hatte Graeber schon lange nicht gesehen. (E. M. Remarque)
Dem und seiner Frau Mimi wollte er sagen, was für ein Subjekt von Schwiegersohn sie hatten. (W. Bredel)
Die Hand Diederichs drückte er so kraftvoll, daß Diederichs Gesicht sich verzerrte... (H. Mann)
§ 307. Die Stellung der Adverbialbestimmungen läßt sich nicht genau festlegen.
Erst in zwei Stunden geht der Zug nach Prag. (E. E. Kisch)
Er hatte den ganzen Tag nach einem Zimmer gesucht... (E. M. Remarque)
Dona Cayetana, Dreizehnte Herzogin von Alba, gab einen Theaterabend für ihre Freunde in ihrem Madrider Palais. (L. Feuchtwanger)
Von mehreren Adverbialbestimmungen steht die Adverbialbestimmung der Zeit meist vor der Adverbialbestimmung des Ortes.
Drei Tage später kam Johannes Friedemann um zwölf Uhr mittags von seinem regelmäßigen Spaziergange nach Hause. (Th. Mann)
Hans fuhr an den Sonntagen in die Jugendherberge wie früher. .. (A. Seghers)
Für die Stellung der Adverbialbestimmungen ist die Art von Wichtigkeit, wie sie ausgedrückt werden. Eine Adverbialbestimmung, die durch ein Adverb ausgedrückt ist, steht meist vor einer anderen, durch eine präpositionale Wendung ausgedrückten Adverbialbestimmung.
Eine verhärmte alte Frau öffnete vorsichtig nach einer Weile. (E. M. Remarque)
Er ging langsam durch die Straßen. (E. M. Remarque)
Hans hatte ihn oft eiskalt in Gefahr gesehen... (A. Seghers)
Die durch einen Infinitiv bzw. eine Infinitivgruppe (ohne einleitendes um) ausgedrückte Adverbialbestimmung des Zwecks steht am Ende des Satzes.
Ich komm dir sagen, daß ich gestern nicht antreten konnte. (E. E. Kisch)
Es kam auch niemand, die Briefe zu beheben. (E. E. Kisch)
Ein Wagen mit Männern der Volkswehr fuhr nach Uhlenhorst, den Geheimrat holen. (W. Bredel)
§ 308. Das prädikative Attribut kann gleich den Adverbialbestimmungen verschiedene Stellungen innehaben. Es kann die Anfangs- oder auch die Endstellung (außerhalb des Rahmens) im Satz einnehmen, namentlich wenn es durch eine Wortgruppe ausgedrückt ist.
Ruhigen Herzens legte sie sich zeitig nieder und schlief rasch ein. (B. Uhse)
Geruhsam und bester Stimmung geht Pagel dem Walde zu... (H. Fallada)
Sonntagabend kam Georg zurück, braun und lustig. (A. Seghers)
Meist steht das prädikative Attribut innerhalb des Satzrahmens.
. . .auf den weiß leuchtenden Kieswegen gingen die Gäste plaudernd und rauchend umher. (Th. Mann)
Er fand seine Frau gesund wieder und seine drei kleinen Söhne. (A. Seghers)
Er stellte ihn als seinen Tagelöhner vor... (A. Seghers)
. . .man habe ihn jahrelang als einen Klassenverräter gebrandmarkt. (A. Seghers)
§ 309. Zur Wortstellung der Nebenglieder des Satzes ist noch zu bemerken, daß das Nebenglied, welches das Wichtigere, das Neue der Mitteilung enthält, zumeist ans Ende des Satzes gerückt wird.
...im grauen Reisemantel betrat er den Salon der Grünlichs und umarmte mit einer gewissen schmerzlichen Innigkeit seine Tochter. (Th. Mann)
Am liebsten und längsten aber plauderte Tony, nach dem Mittagessen oder morgens beim ersten Frühstück, mit ihrem Vater. (Th. Mann)
Die Edle von Treuenfels hatte für Ottilies Verhalten nur ein Achselzucken übrig. (F. C. Weiskopf)
Wie bereits zu Beginn des Kapitels festgestellt wurde, lassen sich keine allgemeingültigen Regeln für die Wortstellung im deutschen Satz festlegen. Im Zusammenhang damit sei noch darauf hingewiesen, daß das wichtigste, am stärksten betonte Satzglied im Satz meist von seiner gewohnten Stellung verrückt wird. Dies ist der Grund, weshalb auch das Subjekt des Satzes die ihm sonst nicht zukommende Endstellung einnehmen kann, der nichtkonjugierte Teil des Prädikats dagegen die Anfangsstellung. Auch die gewohnte Ordnung der Nebenglieder kann auf diese Weise geändert werden.
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